Fehler in den Zahnradnormen
Bei den Recherchen für die angebotenen Programme sind einige Ungereimtheiten aufgefallen. Es handelt es sich bei den nachfolgend genannten Fällen um Fehler in den Normen – schlicht und einfach peinlich!
Fehler in ISO 21771 (2007), Grundbegriffe und Geometrie
- Die Gleichung (128) für den Fußformkreis ist in ISO fehlerhaft (vergl. DIN 3960, Gl. 3.6.08).
Statt (1−sin αt) muss es 3× heißen: (1−sin αn); das Gleiche gilt 1× für Gleichung (130) auf der selben Seite.
Begründung: Dieser Term wird für die Höhe des geradflankigen Zahnstangenprofils benötigt, und diese Größe muss vom Schrägungswinkel des gefertigten Zahnrads und damit auch von dessen Stirneingriffswinkel αt unabhängig sein. (In DIN ISO 21771 wird zumindest diese Gl.128 berichtigt.) - In Gleichung (130) ist noch ein weiterer Fehler: Im Nenner des Bruches muss es heißen:
4[(haP0-ρaP0(1-sin αn))/mn … (ein zusätzliches Klammerpaar)
In der neuen DIN ISO 21771 ist diese Gleichung immer noch (2x) falsch! - Gleichungen in A.2.2 zur Ermittlung der Zahnlückenzahl k ergeben bei Innenverzahnungen fehlerhafte Werte.
Fehler in ISO 6336-1 (2006), Allgemeine Einflussfaktoren
- In Gleichung (25) steht im Nenner ein falscher Exponent, es muss heißen dbpla2 (Hinweis: die Dimensionskontrolle muss kg/mm ergeben)!
- Gleichung (26) ist gleich mehrfach falsch! Die Gleichung muss für einen rotierenden Zahnkranz muss (qcarr4-1) enthalten, nachvollziehbar mit m=π/4·(di2-dm2)ρb, J*=m(di2+dm2)/8b und q=di/dm. Bei Innenverzahnung gilt dann noch |di|>|dm|. Sehr irreführend ist auch der Index „carr“ für das Hohlrad, nicht zu verwechseln mit dem Planetenradträger (engl: „carrier“). Außerdem steht wie bei Gleichung (25) im Nenner wieder ein falscher Exponent, es muss heißen dbcarr2 !
- Gleichung (32) für Rad 2 muss lauten: q2 = di2 / dm2 (Übertragungsfehler von DIN 3990).
- Für den Dynamikfaktor Kv nach Methode C wurde zusätzlich zur DIN 3990 ein neuer Faktor K3 definiert, der bei großen Werten von (v·z1) zu Dynamikfaktoren Kv < 1 führen kann. Hier fehlt ein deutliches Grenzkriterium, um solche Rechenergebnisse zu vermeiden.
Fehler in ISO 6336-2 (2006), Grübchentragfähigkeit
- Zusätzlich zu den Korrekturen des „Technical Corrigendum 1“ von 2008 gibt es noch einen offensichtlichen Druckfehler beim Werkstoffpaarungsfaktor ZW: Gleichung (57) ist falsch, statt 680 im Nenner muss dort 6800 stehen!
- In Bild 6 (Seite 17) ist der logarithmische Bereich von ZNT=0,85…1,0 mit linearen Abständen weiter unterteilt (3 Teilstriche im Bereich 0,85…0,90, 8 Teilstriche im Bereich 0,90…1,00). Das ist stark irreführend und kann nur als grober Unfug bezeichnet werden! Beabsichtigt war wohl eine Schraffur dieses Bereichs in der Art eines Millimeter-Papiers.
Fehler in ISO 6336-3 (2006), Zahnfußtragfähigkeit
- Fußnote b zu Tabelle 1 (Seite 21, Lebensdauerfaktor YNT): ein typischer copy&paste-Fehler.
Die Fußnote für ZNT wurde aus Teil 2 unverändert übernommen. Dass optimale Schmierung den Lebensdauerfaktor für den Zahnfuß beeinflusst, ist nur schwer vorstellbar! - Die Berechnung der kritischen Zahnfußsehne bei Innenverzahnungen wurde in ISO 6336 deutlich modifiziert. Das neue Rechenverfahren ist glaubwürdiger als die frühere Annäherung durch ein gerades Zahnstangenprofil. Dennoch stimmen die mit den ISO-Gleichungen berechneten Daten der Zahnfußgeometrie (Zahnfußsehne und Radius am Berührpunkt der 60°-Tangente) immer noch nicht mit der tatsächlichen Geometrie überein, was man anhand der GeoStirn-Plots an den eingeblendeten Zahnfußsehnen gut erkennen kann. Die Zahnfußsehne nach ISO ist zu kurz, der Hebelarm teilweise zu lang. Die ISO-Rechnung liegt damit aber zumindest auf der sicheren Seite. Das gilt auch bei Fertigung von Außenverzahnungen mit einem Schneidrad.
- Lediglich eine Ungenauigkeit: Bei Rädern mit Schleifkerben soll der Spannungskorrekturfaktor YS durch den modifizierten Wert YSg ersetzt werden. Die dynamische Stützwirkung wird unabhängig davon mit dem Kerbparameter qs ermittelt und ist damit von der Schleifkerbe und YSg unabhängig ist. Dieses Vorgehen ist prinzipiell fragwürdig.
Da die rel. dynam. Stützwirkung bei gehärteten Rädern fast immer ca. 1,0 ist, ist dieser Punkt aber nicht sehr bedeutend.
Fehler in ISO 6336-6 (2006), Betriebsfestigkeitsrechnung
- Zusätzlich zu den Korrekturen des „Technical Corrigendum 1“ von 2008 gibt es noch einen offensichtlichen (Druck?)-Fehler in Tabelle 2 mit dem Beispiel eines Drehmomentspektrums: Die Summe in der Prozent-Spalte beträgt nicht genau 100%! Das ist zwar unwesentlich, zeigt aber, dass dieses Normengremium nicht mit der nötigen Sorgfalt arbeitet.
- Die Änderungen im Technical Corrigendum zu Teil 2 (Zβ) wurden offensichtlich nicht in die Beispielrechnung dieses Teils der Norm übernommen.
- Kein Fehler, aber ingenieurmäßiger Unfug ist in den Gleichungen auf Seite 20 die Angabe des Wöhlerlinienexponenten mit 10(!)-stelliger Genauigkeit.
Da ein Entwurf von ISO 6336 Teil 4 wieder zurückgezogen wurde, ist diese alte DIN derzeit die einzige offizielle Norm für eine Nachrechnung hinsichtlich Fresstragfähigkeit. Seit 2017 gibt es als ISO/TS 6336-20 und ISO/TS 6336-21 wieder aktuelle „Techknical Specifications“, die einem Normentwurf entsprechen. Ob und wann daraus eine offizielle ISO-Norm wird, bleibt abzuwarten. Es bleibt also vorerst bei der DIN 3990-4.
- Die Gleichungen (3.06) und (4.12) ergeben Reibungszahlen mit großem Streubereich und wurden in FZG-Veröffentlichungen mehrfach durch besser zutreffende Näherungsgleichungen ersetzt. Der formale Fehler, dass vΣC (3.07) nicht mit der Umfangsgeschwindigkeit am Wälzkreis gebildet wird, ist in diesem Zusammenhang schon bedeutungslos.
- Die maßgebende Umfangskraft (Gleichung 3.05) muss beim Integraltemperaturverfahren einen integralen Mittelwert über den Zahneingriff darstellen und darf den Dynamikfaktor Kv daher NICHT enthalten.
- Die rechnerische Sicherheit gegen Fressen gilt grundsätzlich nur für eine gut eingelaufene Verzahnung. Bei diesem Einlaufprozess entsteht zwangsläufig ein geringer Kopfrücknahmebetrag (nach ISO 6336-1). Dies muss in Abschnitt 3.10 beim Kopfrücknahmefaktor XCa für Verzahnungen ohne vorgegebene Kopfrücknahme berücksichtigt werden. (Nachzulesen in ISO/TR 13989 und DNV 41.2)
Im Buch „Linke: Stirnradverzahnungen“ wird für Verzahnungen ohne Einlauf eine Mindestsicherheit von 2 (Integraltemperaturverfahren) bzw. 3 (Blitztemperaturverfahren) empfohlen. Der höhere Wert für die Rechnung nach dem Blitztemperaturverfahren ist auf die größere Streubreite dieses Rechenverfahrens zurückzuführen. - In Gleichungen (3.04) und (4.03) ist die Massentemperatur abhängig vom Produkt XS×ϑoil. Demnach würde z.B. bei Einspritzschmierung mit XS=1.2 die Massentemperatur 20% über der Öltemperatur liegen, was wohl nicht realistisch ist. In zahlreichen Veröffentlichungen nach Erscheinen dieser Norm steht XS als Faktor daher auch nur bei der Blitztemperatur.
- Die Berechnung der mittleren Blitztemperatur nach DIN (Gleichung 3.41 und Bild 3.5) führt zu völlig anderen Ergebnissen als eine von FZG/Michaelis („Erfinder“ des Integraltemperaturverfahrens) veröffentlichte Gleichung, die hier bevorzugt werden sollte. (siehe auch Niemann, Winter: Maschinenelemente 2, S.343)
- Der Kraftaufteilungsfaktor XΓ reduziert die lokale Belastung im Doppeleingriffsgebiet. Daher ist die lokale Belastung proportional zu (XΓ×wBt) und es müsste in Gleichung (4.02) heißen: (XΓ×wBt)(3/4). (Nachzulesen in ISO/TR 13989 und im Buch „Linke: Stirnradverzahnungen“)
Fazit: Diese DIN 3990-4 ist zwar noch offiziell gültig, aber inhaltlich fehlerhaft oder zumindest überholt. Eine streng normgemäße Nachrechnung der Fresstragfähigkeit ist nicht mehr sinnvoll. Wir empfehlen daher bei Rechnungen mit unserem Programm AZP die genannten Weiterentwicklungen mit der Steuergröße FZG=3 zu aktivieren (entspricht der Voreinstellung, siehe Eingabedatenblatt).
Fehler in DIN 3967 (1978), Flankenspiel
- In Anhang A (Berechnung der spielverändernden Einflüsse) werden Spieländerungen näherungsweise mit dem Stirneingriffswinkel αt berechnet, der für die Fertigung der einzelnen Räder gilt. Richtig wäre der Betriebseingriffswinkel αwt des Stirnradpaars, vergl. die aktuelle ISO 21771! Diese Vereinfachung wurde in der alten DIN 3967 wohl bewusst in Kauf genommen, da die Ermittlung von αwt recht aufwändig ist. Man sollte wissen, dass Ingenieure zu der Zeit, als diese Norm entwickelt wurde, noch mit Rechenschiebern arbeiteten und gerade eben die ersten technisch-wissenschaftlichen Taschenrechner auf den Markt gekommen waren (HP35 für ca. 2000 DM).
- Die Gleichung (1) zur Spieländerung durch Erwärmung gilt in der angegebenen Form nur für Außenradpaare, ohne dass diese Einschränkung erwähnt wird. Bei Innenradpaarungen wird das Spiel durch Erwärmung des Steges (=Gehäuse) reduziert, durch Erwärmung des Hohlrades vergrößert!
- Die Gleichungen (14/15) für min/max Flankenspiel gelten nur, wenn das obere Achsabstandsabmaß immer positiv und das untere Abmaß immer negativ ist. Diese Annahme trifft wohl fast immer zu. Bei Verstoß gegen diese Vorzeichenregel liefern die genannten Gleichungen aber falsche Ergebnisse.